Motorradfahren in Griechenland

 



Aus meiner langjährigen Erfahrung (Bisher 27 mal, davon 12 mal mit dem Motorrad) nach Griechenland zu fahren, möchte ich ein wenig auf Verhaltensregeln und auf die Strassenverhältnisse hinweisen. Ich habe bisher 12 Touren nach Griechenland unternommen und dabei ist es nur zu einem Unfall (in Italien 1996) gekommen, an dem ich schuldlos gewesen bin. Ich hoffe sehr, dass das auch in Zukunft so bleiben wird! Toi toi toi!

 

 

Allgemein

 

Da die Straßenverhältnisse in Griechenland etwas "anders" sind als bei uns, möchte ich hier dringend auf ein paar Verhaltensregeln hinweisen.  Mit einer angepassten Fahrweise ist es möglich einen wunderschönen Motorradurlaub zu erleben. Leider habe ich aber bei fast jedem Griechenlandurlaub von Motorradfahrern gehört, die gestürzt sind. Allesamt mit Leihmotorrad und wenig Erfahrung, also eigentlich Autofahrer im Besitz des Motorradführerscheins. Bitte tut Euch den Gefallen und winkt nicht einfach ab, sondern lest Euch die folgende Seite durch und behaltet die Tipps im Hinterkopf. Die Unfallursachen in Griechenland sind in der Regel nicht die mangelnde Fahrpraxis der Motorradreisenden, sondern die chaotischen Zustände der Straßen, sowie die etwas anarchistische Fahrweise der einheimischen Verkehrsteilnehmer sowie der Touristen im Leihwagen. Aus meiner Erfahrung übrigens vornehmlich die mit den Geländewagen.

Defensives, vorausschauendes Fahren heißt die Devise!

 

 

Besondere Gefahren

 

Der Straßenbelag ist in den meisten Fällen sehr schlecht. Selbst bei weicher Reifenmischung (Sportreifen) kann von guter Haftung keine Rede sein. Besonders wenn der erste Nieselregen nach dem Sonnenschein einsetzt, wird der Zustand äusserst kritisch. Es bildet sich ein Film, der mit Schmierseife, ja sogar mit Glatteis vergleichbar ist.  Extrem ist es vor allem in größeren Städten (Athen, Patras, Thessaloniki, sowie die Hauptstädte der Inseln..etc.) Dort sind die Straßen, auch ohne Regen, besonders glatt. Vergesst alles, was ihr über Schräglage wisst, vergesst alle Erfahrungen, die Ihr hier in Deutschland gemacht habt.

Rollsplitt! Es ist bei den griechischen Straßenbauern wohl Brauch, auf den frischen Asphalt Unmengen von Split zu verstreuen. Einiges von dem Zeug fährt sich zum Teil fest, vieles davon wird aber auch an den Straßenrand geschleudert. Dort liegt es dann bis zum jüngsten Gericht. Ein Hinweisschild das „gesplittet“ wurde, werdet Ihr vergeblich suchen.

Fahrbahnmarkierungen fehlen meistens, besonders wenn man die grösseren Strassen verlässt. Versucht also Eure Tagesetappen so zu planen, dass Ihr immer bei Tageslicht ankommt. In der Dunkelheit wird das Fahren auf abgelegenen Straßen ohne Markierung zur Tortur.

In Griechenland wird auf Hindernisse nicht so hingewiesen, wie wir es hier in Deutschland gewohnt sind. Dies gilt für Baustellen, Ölspuren, abgesackte Straßen und Hindernisse aller Art. Oftmals kümmern sich die offiziellen Stellen überhaupt nicht um einen Hinweis oder eine Beschilderung. Ich habe es oft erlebt, dass in Kurven Straßenteile, die komplett abgesackt waren oder erheblicher Schlaglöcher hatten, lediglich dadurch gekennzeichnet waren, dass irgend ein guter Mensch ein paar Steine vor der gefährlichen Stelle aufeinander gestapelt hatte, um andere Verkehrteilnehmer auf die Gefahr hinzuweisen.

Straßenreinigung wird eher vernachlässigt. Öl- oder Dieselspuren (auch Olivenöl, zerquetschte Oliven und Wassermelonen) in einer Kurve sind zwar selten, kommen aber immer wieder mal vor. Also wer sich darauf verlässt, dass ein Schild mit der Aufschrift “Ölspur” den gefährlichen Bereich kennzeichnet, dass die Feuerwehr mit Ölbindemitteln dafür gesorgt hat, dass die Strasse wieder befahrbar ist, der gibt sich Illusionen hin. Nichts dergleichen gibt es in Griechenland.

Kurven haben in Griechenland manchmal einen sehr seltsamen Radius. Im letzten Ende haben sie teilweise regelrechte Knicke. Bei der Beschilderung "Gefährliche Kurve" gibt es zwei Extreme. Entweder es gibt überhaupt kein Schild, oder aber es gibt vor jeder Kurve eins, ganz gleich ob diese nun gefährlich ist oder nicht. Einen guten Hinweis geben die Ikonenhäuschen. Je mehr Unfälle sich an einer Stelle ereignet haben, desto mehr kleine Ikonenhäuschen werdet Ihr an der Stelle finden. Fahrt nie schnell in eine Kurve, wenn Ihr diese nicht bis zum Kurvenende einsehen könnt! Denkt immer an die Gefahren, die im letzten Teil der Kurve auf Euch lauern könnten. (Ziegen, Schafe, Schlaglöcher,  Ölspuren, entgegenkommende Fahrzeuge auf Eurer Spur, aus dem Nichts einscherende landwirtschafliche Fahrzeuge.... alles schon erlebt.)

Noch extremer ist es in der Provinz. Hier werden Euch so einige Fahrzeuge begegnen, deren Fahrer noch nicht einmal einen Führerschein besitzen. Fahrt grundsätzlich defensiv und vorausschauend. Verlasst Euch nie darauf, dass Ihr Vorfahrt habt.

Wenn Ihr in der Provinz unterwegs seid, so bedenkt bitte, dass das nächste gut funktionierende Krankenhaus wahrscheinlich mindestens 100 km entfernt ist. Krankenwagen, Hubschrauber, vergesst es. Die medizinische Erstversorgung bei einem Unfall kann Stunden dauern. Wenn man bedenkt, dass die ersten 10 Minuten lebensentscheidend sein können, eine Katastrophe.

 

 

Helmpflicht und Schutzkleidung

 

Genau wie bei uns, besteht in Griechenland die Pflicht, einen Helm zu tragen. Es interessiert nur leider niemanden, jedenfalls nicht wirklich. Mittlerweile achtet aber die Polizei schon mehr darauf und kassiert Bussgelder. Übrigens, in Deutschland fallen für das Nichttragen eines geeigneten Schutzhelms 15 € an, in Griechenland 350 € und 10 Tage Führerscheinentzug! Ihr werdet oft erleben, dass sowohl Griechen als auch Touristen ohne Helm Motorrad fahren. Bei den Temperaturen, die gerade in den Monaten Juli-August dort herrschen, könnte man es fast verstehen. Trotzdem kann ich nur davor warnen ohne Helm und ausreichende Schutzkleidung zu fahren. Besiegt den inneren Schweinehund und kleidet Euch vernünftig, auch wenn es unter der Schutzkleidung (zu) warm ist.

Das absolute Minimum an Schutzkleidung für ein Motorrad (auch Scooter/Roller!) im sommerlichen Griechenland ist:

 

1. Ein gut sitzender und verschliessbarer Helm, besser Integralhelm.

2. Enganliegende lange Hose und langärmelige Jacke (z. Bsp. Jeans).

3. Festes Schuhwerk welches nach Möglichkeit die Knöchel bedeckt.

 

Auf Handschuhe kann verzichtet werden, allerdings bei einem Sturz auf die Handballen ist nach 2 Meter schliddern schon die erste Hautschicht weg, nach ca. 15 Metern ist man auf dem Knochen. Übrigens erreicht man die 15 Meter aus einer Sturzgeschwindigkeit von 50 KM/h. Wer schon einmal Motorradunfälle im TV (Motorradrennen) gesehen hat weiss, dass meistens auf dem Rücken geschliddert wird.

Verunfallte Scooter-Fahrer habe ich schon jede Menge in Griechenland gesehen, ja ich habe sogar mal einem Schweizer Pärchen auf Kreta Erste Hilfe geleistet. Dabei hat die Sozia so bitterlich geweint, weil Knie- und Wadenbereich wie auch die Unterarme so stark abgeschürft waren und auch noch Rollsplit sich unter die Hautschicht "gefressen" hatte. Wir hatten uns später nochmal getroffen und sie berichtete, wie schrecklich und schmerzlich die Entfernung dieses Splits im Krankenhaus gewesen sei. Der Urlaub war dann eigentlich für die beiden gelaufen, es brachte keinen Spass mehr mit verbundenen Knien und Unterarmen sowie mit verstauchten Fussgelenken an relaxen zu denken, schon garnicht an baden oder sonnen. Es war geradezu ein traumatisches Erlebnis für die beiden.

Aus einem weiteren Grund möchte ich davor warnen ohne angemessene Schutzkleidung zu fahren. Insekten! In Mediterranen Gebieten fliegt ein völlig anderes Viehzeug durch die Gegend: Dorn- und Raubwespen, Käfer gross und klein, - die ich mit Namen nicht kenne -, aber allesamt ganz fies stechen oder beissen können! Wenn so ein Teil ins lockere T-Shirt gerät, führt das ganz schnell zu Panikattacken des gestochenen/gebissenen Motorradfahrers, wohlmöglich noch Allergikers. Alles während der Fahrt? Nein Danke!

 

 

Griechische Motorradfahrer

 

In den vergangenen Jahren, so ab 2002, beobachte ich ein wachsendes Sicherheitsbewusstsein der griechischen Motorradfahrer. Ich führe das zurück auf die vermehrten Polizeikontrollen und der verbesserten Führerscheinprüfungen in GR. Mehrheitlich jedoch ist der griechische Motorradfahrer eher der Angeber und Aufreisser-Typ. Insbesondere in touristisch erschlossenen Gebieten zeigt der Grieche gerne mal sein Moped dem begeisterten (insbesondere weiblichen) Publikum. Schutzkleidung hat dabei nichts zu suchen. Am coolsten ist es, selbst möglichst spärlich bekleidet, eine weibliche Sozia (am besten im Bikini und Badelatschen!) mal ein paar Kilometer mit einer Drehzahl von nicht unter 7000 U/min. zu präsentieren.

 

Fazit

 

Griechenland ein Motorrad Land? Aber sicher, wobei ich sagen würde: Ein Land zum cruisen. Es ist ein Land in dem die Landschaft und der Weg, das Faszinierende sein sollten. Es gibt wunderschöne abgelegene Strecken, teilweise begegnet man in der Provinz an einem Tag gerade mal 5-10 Autos. Wenn ich an die Strecke über den Katara-Pass von Ioannina nach Kalambaka denke,  ich glaube wir sind auf der ganzen Strecke einmal 2 KM geradeaus gefahren, der Rest waren Kurven Kurven Kurven. Einsamkeit, herrliche kleine Bergdörfer, ein Traum. 300 - 400 Kilometer in 10 Stunden oder noch langsamer. Wer es mal so richtig sportlich angehen möchte, dem empfehle ich eine Ausnahmeinsel. Chios. Wer hier die zentrale Westküste fährt, kann mal so richtig durchladen. Schräglagen möglich wie in Deutschland, hervorragende Strassenqualität und jede Menge Grip.

(Gilt nur für die Strecke Lithio – Volissos)

Griechenland ist ein Motorrad-Land, wenn man gewisse Regeln beachtet. Griechenland ist in der Provinz  aber vergleichbar mit einem Drittland, wenn man auf diesen abgelegenen Strassen ärztliche Hilfe braucht.

Wer das verinnerlicht und seine Fahrweise anpasst, wird wunderschöne Touren erleben.

 

 

Bernd Jordan

Hamburg, Oktober 2004

Letztes Update: Dezember 2007

eMail an den Autor: BeeJay[at]zzr.info

Download als PDF